Den Mitarbeitern Raum geben

Wie können Wohnungsunternehmen den Kultur- und Generationenwandel gestalten? Dazu tagten rund 40 Geschäftsführer aus der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen (KoWo) Ende Oktober in Schwäbisch Hall. Die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner hinterfragte überkommene Denkmuster und warb für „dynamisches Denken“. Beispiele aus der Praxis zeigten Michaela Reimann (Joseph-Stiftung Bamberg) und Stefan Storz (Volkswohnung Karlsruhe) auf.

Die KoWo veranstaltet jährlich zwei Fachtagungen in den Städten ihrer rund 60 Mitgliedsunternehmen. Oberbürgermeister Daniel Bullinger begrüßte die Tagungsteilnehmer in Schwäbisch Hall: „Ein gesundes und starkes Wohnungsunternehmen ist ein Glück für jede Stadt.“ Die GWG Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft Schwäbisch Hall mbH schaffe hochwertigen und bezahlbaren Wohnraum für die weitere Entwicklung der Stadt, sei stark bei Gewerbeimmobilien und wirke städtebaulich.

Geschäftsführer Wolf Gieseke stellte die GWG vor, die seit 1919 besteht und bei der heute etwa jeder vierte Mieter in der Stadt wohnt. Ihr Anteil an den Handels- und Gastronomieflächen beläuft sich gar auf rund 50 Prozent, was sehr viel mehr ist als bei den meisten anderen kommunalen Wohnungsunternehmen im Land.

Lebenslanges Lernen

In den Fachvorträgen ging es um die zunehmende Bedeutung von kontinuierlicher Entwicklung der Unternehmen und aktiver Mitgestaltung ihrer Rahmenbedingungen. Um den großen Herausforderungen Wohnraumversorgung, Klimawandel, Digitalisierung und demografischer Wandel besser zu begegnen, sehen die kommunalen Wohnungsunternehmen Veränderungsbedarf ihrer Organisation. Lebenslanges Lernen der Mitarbeiter als Individuen ist dabei ebenso wichtig wie das lernende Unternehmen, in dem Neues gemeinsam aufgegriffen und genutzt wird.

Dynamisches Denken macht handlungsfähig

Dies bestätigte Prof. Dr. Maren Urner (HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft): „Neue Erfahrungen und Lernen beeinflussen langfristig die Gehirnaktivität, und das wiederum beeinflusst unsere Interpretation der Welt.“ Sie wirbt deshalb für „dynamisches Denken“, mit dem wir uns von einem häufig zu negativen Weltbild und einer durch Angst und Unsicherheit verursachten Blockade langfristigen Denkens lösen können.

Das „dynamische Denken“ beinhaltet drei Elemente. Zunächst geht es um bessere Fragen, zusammengefasst mit „wofür“ anstelle von „wogegen“. Dadurch nutzen wir Regionen im Gehirn, mit denen wir neugierig, kreativ und mutig nach vorne schauen können. Indem wir als Zweites das Lagerdenken überwinden und Gruppen neu definieren, entstehen Hilfsbereitschaft und Verbundenheit. Das menschliche Erfolgsgeheimnis ist die Kooperation, weshalb drittens neue Geschichten wichtig sind. „Welche Geschichten von Erfolg erzählen wir uns? Wir müssen uns immer wieder fragen, was wir haben und was wir damit nach vorne gerichtet leisten können.“ Die Neurowissenschaftlerin warb außerdem für Mut zur Komplexität: „Es ist wichtig, die Grautöne aufzuzeigen; die Welt ist nicht schwarz-weiß.“

Mitarbeiter stärker einbinden und beteiligen

Einen Werkstattbericht zu „New Work als Navigationshilfe“ vermittelte Michaela Reimann, Bereichsleitung Personal und Unternehmenskultur sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Joseph-Stiftung aus Bamberg. Veränderung sei normal, ebenso die Angst davor. Ältere Mitarbeiter wünschen sich vom Unternehmen Sicherheit, während neue Mitarbeiter Gestaltungsspielraum und Beweglichkeit suchen. „Wir brauchen eine Landkarte, die uns in der Transformation eine Orientierung gibt.“

Die Joseph-Stiftung hat sich für das New Work-Konzept entschieden. In der angestrebten Unternehmenskultur sind die Mitarbeiter kreativ, flexibel und eigenverantwortlich. Es geht darum, sie einzubinden und mit neuen Rollen zu experimentieren, die Zusammenarbeit neu zu denken und zu leben. „Wir wollen die gesellschaftlichen Herausforderungen mit kollektiver Intelligenz meistern. Schwarmintelligenz macht Unternehmen und Lösungen klüger“, so Michaela Reimann.

Flachere Hierarchien, laterale Führung und schlankere Prozesse bilden die organisatorische Grundlage. Für die Transformation der Unternehmenskultur lässt sich der Vorstand von einer „Lotsengruppe“, einem Gremium mit Mitgliedern aus allen hierarchischen Ebenen, beraten. Insgesamt sind die Mitarbeiter inzwischen viel stärker am unternehmerischen Denken beteiligt. Der Erfolg zeigt sich unter anderem darin, dass die Belegschaft selbst eine Arbeitsgruppe gegründet hat, um bereichsübergreifend Lösungen für die Zukunft des Wohnens zu erarbeiten.

Talente entdecken und fördern

Die Volkswohnung aus Karlsruhe hat mit vielen kleinen Veränderungen „Change“ erreicht. Stefan Storz, Geschäftsführer: „Wir sind in einem permanenten Wandel, und es geht um permanentes Hinterfragen.“ Der Veränderungsprozess im Unternehmen hat nach ersten Analysen und Workshops eine Eigendynamik entwickelt. Das Silodenken wird aufgelöst und das Bewusstsein gestärkt, dass alle zusammen an gemeinsamen Zielen arbeiten: „Eine Organisation ist limitiert, wenn sie nur so weit denkt, wie die Geschäftsführung denken kann.“

Insbesondere möchte die Volkswohnung ihre Mitarbeiter befähigen, „in allen Lebenslagen Großes zu leisten“, und hat hierfür mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeitmodelle, Eltern-Kind-Büros und vielfältige Raumangebote geschaffen. Stefan Storz: „Die Personalentwicklung braucht den richtigen Stellenwert. Es geht darum, den Mitarbeitern Raum zu geben, Talente zu entdecken, zu fördern und zu halten.“ Zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung hat das Unternehmen eine eigene Weiterbildungsakademie gegründet und ein Programm für Führungskräfte aufgebaut.

Seit der Corona-Krise hat die Volkswohnung über 30 neue Mitarbeiter eingestellt. Darunter gibt es viele Potenziale und Ausbildungen, die zuvor nicht bei einem Wohnungsunternehmen gearbeitet haben. Der Change-Prozess fördert auch die Attraktivität der Volkswohnung als Arbeitgeber.

Die Anregungen aus den Fachvorträgen und der persönliche Austausch über die jeweiligen Erfahrungen unterstützen die Mitgliedsunternehmen in ihren Transformationsprozessen. Sie stehen hierzu ebenso wie zu den großen Themen der Branche in engem Kontakt.

Über die KoWo

In der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen, kurz KoWo, haben sich rund 60 kommunale und landkreisbezogene Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen. Sie verwalten über 140.000 Mietwohnungen und gehören mit einem Investitionsvolumen von mehr als 940 Millionen Euro zu den wichtigsten Auftraggebern der heimischen Bauwirtschaft. Die Durchschnittsmiete der kommunalen Wohnungen liegt bei 6,63 Euro pro Quadratmeter. Die Unternehmen sind zudem mit gut 80 Prozent Hauptabnehmer der Mittel aus dem Landeswohnraumförderungsprogramm, um günstige Neubauwohnungen zu schaffen. Ziel der seit 1990 bestehenden Vereinigung ist es, ihre spezifischen Interessen auf Landesebene zu vertreten und zu bündeln.

Prof. Dr. Maren Urner während ihres Vortrags
Prof. Dr. Maren Urner während ihres Vortrags
Stefan Storz (Volkswohnung, Karlsruhe), Michaela Reimann (Joseph-Stiftung, Bamberg), Prof. Dr. Maren Urner (HMKW, Berlin), Peter Bresinski (GGH, Heidelberg), Wolf Gieseke (GWG, Schwäbisch Hall) und Oberbürgermeister Daniel Bullinger (v.l.n.r.)
Stefan Storz (Volkswohnung, Karlsruhe), Michaela Reimann (Joseph-Stiftung, Bamberg), Prof. Dr. Maren Urner (HMKW, Berlin), Peter Bresinski (GGH, Heidelberg), Wolf Gieseke (GWG, Schwäbisch Hall) und Oberbürgermeister Daniel Bullinger (v.l.n.r.)

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