Die Diskussion um Mietendeckel stand im Mittelpunkt der Tagung der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen (KoWo) am 30. September in Pforzheim. Vertreter von Wissenschaft und Politik haben mit rund 50 Vertretern von Wohnungsunternehmen herausgearbeitet, was der Markt leisten kann und welche Wirkungen die Regulierungsinstrumente haben.
„Die soziale Komponente ist unsere DNA“, sagte Peter Bresinski, Vorsitzender der KoWo und Geschäftsführer der GGH Heidelberg, über die kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften. Diese Gesellschaften erhöhten ihre Mieten nur moderat. „Ein Mietendeckel, der unsere Unternehmen trifft, subventioniert nur diejenigen, die ohnehin günstig wohnen.“
Mietendeckel als „Atempause“
Prof. Dr. Markus Artz von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld sah dies ähnlich: „Vermieter, die sich bislang sehr zurückgehalten haben, sollten nicht bestraft werden. Wenn ihre Mieten bei weniger als 80 Prozent der Vergleichsmiete liegen, sollten sie die Miete auch bei einem Mietendeckel bis dahin erhöhen können.“ Zahlreiche kommunale Gesellschaften im Land liegen mit ihrer Durchschnittsmiete bei rund 70 bis 80 Prozent der örtlichen Mietspiegelmiete.
Grundsätzlich sprach sich Prof. Dr. Artz für einen Mietendeckel aus. Bei stark steigenden Mieten wäre eine „Atempause“ für die Mieter notwendig, bis sich der Markt beruhigte. „In Bayern und Berlin gibt es ein Grundrecht auf Wohnen. Dieses Recht ist gefährdet, wenn man in einzelnen Bereichen keine Wohnung mehr findet.“ Gleichwohl wären aus seiner Sicht nicht alle Regelungen des Berliner Mietendeckels zulässig, beispielsweise die von ihm stets abgelehnte Mietensenkung. „Wenn man den Bogen überspannt, zerstört man auch die in meinen Augen sinnvollen und maßvollen Eingriffe“, so Prof. Dr. Artz. Er könnte sich nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht den Ländern jegliche Kompetenzen im Mietrecht abspricht, glaubte aber auch nicht, dass sämtliche Regelungen des Gesetzes standhalten.
Mietendeckel zementiert Angebotsdefizit
„Es kann keine Rede sein von Mietpreisexplosionen“, so Prof. Dr. Friedrich Breyer vom Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpolitik der Universität Konstanz. Er zeigte mit Statistiken, dass es um eine regionale Ungleichverteilung von Angebot und Nachfrage geht, nicht um eine allgemeine Wohnungsnot. Nach einer Stagnation der Mieten bis 2010 gäbe es einen starken Anstieg nur in einzelnen Schwarmstädten sowie eine starke Kluft zwischen Bestands- und Angebotsmieten. Bereits jetzt zeigte sich in Berlin ebenso wie bei Mietpreisbindungen in der DDR, in Berlin bis 1988 oder in San Francisco, dass ein Mietendeckel das Angebots- und Verteilungsproblem verschärfte: „Mit Mietendeckel können weniger Menschen in Berlin wohnen als ohne.“ Das Angebot ginge zurück und die Nachfrage nach größeren Wohnungen stiege, weil der Preismechanismus nicht zur sparsamen Verwendung zwinge. Die Mobilität der Einwohner sänke. Vermieter wären noch mehr geneigt, zahlungskräftige Mieter auszusuchen, sodass die ohnehin auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Gruppen noch größere Probleme hätten, eine Wohnung zu finden.
Prof. Dr. Harald Simons, Vorstand der empirica AG, stimmte zu: „Bestandsmieter in guten Wohnungen in guten Lagen profitieren von einem Mietendeckel am meisten. Nachfrageüberschuss und Angebotsdefizit wachsen und werden zementiert.“ Er warnte, dass Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt so unelastisch sind, dass kleinste Änderungen gigantische Preisänderungen hervorrufen. Auch führte der Mietendeckel zu einer „Ab-jetzt-Politik“. Um Bestandsmietern nicht zu schaden, würde der Mietendeckel nicht mehr aufgehoben, sondern es gäbe irgendwann wie in Wien verschiedene Mietendeckel nach Baujahren sowie Zu- und Abschläge auf die Miete oder Sonderumlagen. Am Ende wäre das System extrem kompliziert und niemand wüsste mehr, was die „legale“ Miete wäre.
Falsche Erwartungshaltung
In der von Timo Heyn, Büroleiter der empirica AG Bonn, moderierten Diskussion ging es nach den einführenden Vorträgen um Erwartungen, Mietendeckel, Wohngeld und den sozialen Wohnungsbau. Prof. Dr. Simons: „Berlin ist kein leuchtendes Beispiel für eine gute Angebotspolitik. Hamburg ist eins, aber auch hier sind die Mieten gestiegen. Selbst mit bester Politik steigen die Mieten“. Seiner Ansicht nach bestünde das Problem in der völlig falschen Erwartung der Öffentlichkeit, was überhaupt machbar wäre. Es wäre nicht möglich, dass die Mieten nicht steigen und alle für sechs Euro Kaltmiete im Prenzlauer Berg wohnen.
Für Oberbürgermeister Thomas Keck aus Reutlingen wäre es den Bürgen nicht zu vermitteln, dass sie keine leistbare Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsstelle finden. „Ich habe an der Front zu tun. Das ist nicht einfach, denn hinter den Prozentzahlen stehen Menschen. Wir können das nur durch forcierten Wohnungsbau ausgleichen.“ Er bemühte sich, die schwerfälligen Prozesse zu beschleunigen. Mietpreisregulierung wäre für ihn eine flankierende Maßnahme. Prof. Dr. Simons widersprach: „Der falsch gesetzte Preis ist immer das Zentrum des Marktes. Der Deckel wird ins Zentrum rücken; alles andere ist dann flankierend.“ Prof. Dr. Breyer: „Es ist ökonomisch unsinnig, gerade in Märkten mit knappem Angebot den Preismechanismus außer Kraft zu setzen.“
Instrumente intelligent kombinieren
Prof. Dr. Breyer sprach sich für Wohngeld als zielgenaue und treffsichere Lösung aus: „Wir sollten Personen fördern, nicht Objekte.“ Oberbürgermeister Keck erwiderte: „Es kann nicht politischer Wille sein, ein Volk von Wohngeldempfängern zu generieren. Wir sollten darauf hinarbeiten, dass jeder sich durch sein Einkommen sein Leben leisten kann.“ Prof. Dr. Simons ergänzte, dass bei einer reinen Subjektförderung für Personen mit geringen Einkommen nur noch bestimmte Lagen verfügbar sind. Auch Peter Bresinski wies auf die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus hin: „Es muss Wohnungsbestände geben für Mieter, die auf dem Wohnungsmarkt einen nicht so guten Eindruck machen. Hier ist der soziale Wohnungsbau der Schlüssel für die Vergabe.“ Prof. Dr. Breyer bewertete den sozialen Wohnungsbau als unsozial, seitdem es die Fehlbelegungsabgabe nicht mehr gäbe.
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Prof. Dr. Simons hoffte, dass die Politik nicht zu stark in den Markt eingreift, weil sich eine Entspannung der Mietpreise sich bereits abzeichnete. Oberbürgermeister Keck: „Wir brauchen die Wohnungen jetzt, nicht in 25 Jahren.“ Er schlug vor, Wohnen und Arbeiten stärker zu verbinden und mit Maß nachzuverdichten, obwohl hier oft die Akzeptanz der Bürger fehlte. Kommunale Wohnungsunternehmen wie die GWG Reutlingen sind für ihn gute Partner. Peter Bresinski sprach sich dafür aus, die Instrumente intelligent zu kombinieren. „Kommunale Gesellschaften bieten ein großes Potenzial, den Wohnungsbau voranzutreiben. Wir kooperieren bereits mit Genossenschaften. Diese Akteure sollten weiter zusammengebracht und im Markt gestärkt werden, zum Beispiel durch Konzeptvergaben.“
Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen
Zu Beginn der Tagung begrüßte Bürgermeisterin Sibylle Schüssler die Tagungsteilnehmer „in einer besonderen Zeit in einer besonderen Stadt“. Sie schilderte die laufenden Diskurse zur Zukunft der Stadt und die notwendige „Neuprogrammierung“ nach den Bedürfnissen der Anwohner. Die fünf Wohnungsunternehmen in Pforzheim, darunter auch die Stadtbau Pforzheim, die die KoWo-Tagung in die Stadt geholt hat, wären gut vernetzt und verstünden sich als Arbeitsgemeinschaft, insbesondere für komplexe und innovative Wohnungsbauprojekte.
Über die KoWo
In der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen, kurz KoWo, haben sich rund 60 kommunale und landkreisbezogene Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen. Sie verwalten über 140.000 Mietwohnungen und gehören mit einem Investitionsvolumen von mehr als 940 Millionen Euro zu den wichtigsten Auftraggebern der heimischen Bauwirtschaft. Ziel der seit 1990 bestehenden Vereinigung ist es, ihre spezifischen Interessen auf Landesebene zu vertreten und zu bündeln. Mehr Informationen zur KoWo finden Sie unter www.kowo-bw.de.