Zeitenwende in der Immobilienbranche: Frühjahrstagung der KoWo beleuchtet Herausforderungen und Lösungsansätze kommunaler Wohnungsunternehmen

Die derzeitige Marktsituation stellt die Immobilienbranche vor große Schwierigkeiten. Energiekrise, Materialengpässe sowie der Fachkräftemangel betreffen nicht nur den freien Markt, sondern auch die kommunale Wohnungswirtschaft. Wie sich diese Themen auf ihre Unternehmen auswirken und welche Lösungswege es gibt, diskutierten 54 Geschäftsführer baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen (KoWo) mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft anlässlich ihrer Frühjahrstagung am Mittwoch, 19. April, in Mannheim.

In den Fachvorträgen ging es um die volkswirtschaftliche Einordnung aktueller Themen und deren Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. „Die Fachtagung soll uns einen Überblick verschaffen und die Perspektiven der beteiligten Akteure darlegen“, sagte Peter Bresinski, Vorsitzender der KoWo und Geschäftsführer der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg (GGH), in seiner Begrüßung. „Vor uns liegt eine Mammutaufgabe. Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist ungebrochen, die Inflationsrate ist auf einem Rekordniveau und die Zinsen sind deutlich angestiegen. Solange so viele Unwägbarkeiten das Bauen erschweren und verteuern, wird die Zurückhaltung bei Bauprojekten andauern“, so Bresinski. Für den Neubau, aber auch die Modernisierung von bezahlbaren Wohnungen im Bestand bräuchten die Unternehmen im Land mehr Planungssicherheit: „Dazu zählen insbesondere eine gute, verlässliche Förderpolitik, weniger regulatorische Vorgaben durch die Bundespolitik und schnellere Verfahren auf kommunaler Ebene.“

Dass es angesichts aktueller Krisen keine einfachen Lösungen gibt, bestätigten Christian Specht, Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim, und Karl-Heinz Frings, Geschäftsführer der GBG - Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft, in ihren Vorträgen. Die GBG hatte am Vortag bereits zu einer Exkursion auf das BUGA-Gelände eingeladen. Gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Schnellbach besichtigten die Tagungsteilnehmer die Ausstellungs-Angebote der BUGA und informierten sich über das zukünftige Wohnungsbauprojekt der GBG auf der Konversionsfläche Spinelli. „Hier entsteht auf 81 Hektar ein grünes Stadtquartier, das als Wohngegend und Parklandschaft die Anforderungen der Zukunft erfüllt und sich gleichzeitig in die bereits bestehenden Stadtteile Käfertal und Feudenheim einfügt“, berichtete Frings. „Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wir in Mannheim die Herausforderungen unserer Zeit annehmen und die Unternehmensziele der GBG mit unserer Stadtentwicklungsstrategie verknüpfen konnten“, erklärte Bürgermeister Christian Specht.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland übernahmen Professor Hans Peter Grüner, Universität Mannheim, und Dr. Konstantin A. Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die aktuelle Situation ist im Hinblick auf Krisen außergewöhnlich“, so Grüner. Der Wirtschaftswissenschaftler ging in seinem Vortrag unter anderem auf die Zinspolitik der Banken, die Folgen des Ukraine-Konflikts und der aktuellen Europapolitik, die Inflation und Effekte der Zuwanderung sowie Potenziale des Arbeitsmarktes ein. Als einen unlösbareren Konflikt betrachtet Grüner das Vorhaben der Bundesregierung, die Transformation und Aufrüstung des Landes ohne Verschuldung, Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen durchführen zu wollen. Grüner: „Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, werden wir den Konsum einschränken müssen. Es wird Anpassungen an die neuen Realitäten geben. Auf dem Wohnungsmarkt bedeutet Einschränkung auch Verzicht auf Wohnfläche.“ Die aktuelle Preisentwicklung im Bau- und Immobilienwesen sieht Dr. Konstantin A. Kholodilin ebenfalls kritisch: „Der längste und stärkste Preisanstieg liegt hinter uns. Dennoch nimmt der Druck auf den Markt aufgrund der hohen Nachfrage weiterhin zu. Die Mieten werden daher auch in den nächsten Jahren steigen.“

Wohin steuern die Baupreise und energetischen Standards?

Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, ergänzte in seinem Beitrag die Perspektive der Bauindustrie und ging dabei auf die Entwicklung der Baukonjunktur und Baupreise, Möglichkeiten zur Beseitigung des Fachkräftemangels und den „Vorschriftendschungel“ am Bau ein. „Nach Angaben unserer Mitgliedsunternehmen haben sich allein die Entsorgungskosten in den letzten zehn Jahren verdoppelt bis verdreifacht“, so Möller. Verschärft habe sich die Situation durch die zunehmenden Gesetze, an die sich die Bauunternehmer halten müssten. „Die energetischen Standards nehmen stetig zu und der Deponieraum wird knapp. Gleichzeitig steigen die Fahrt- und Kippkosten.“ Mögliche Lösungsansätze zur Kostenreduktion bieten laut Einschätzung Möllers die kritische Betrachtung von Bauwerkskosten und Energieverbräuchen sowie Einsparungspotenziale durch serielles Bauen, Robotik, 3-D-Druck oder eine hohe industrielle Vorfertigungsrate.

Im welchem Kontrast die Situation der Wohnungsunternehmen zur Erwartungshaltung des Deutschen Mieterbundes stehen, wurde beim Vortrag von Jan Kuhnert deutlich, der die Eckpunkte eines Konzepts zur neuen Wohngemeinnützigkeit (NWG) vorstellte. Vor 30 Jahren schaffte der Bundestag das alte Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ab. Der Deutsche Mieterbund befand vor dem Hintergrund der steigenden Wohnungsnachfrage seien Reformen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum notwendig und hat den Kommunal- und Unternehmensberater mit dem Eckpunktepapier betraut. Ob das Fördersystem in neuer Form wiederbelebt werden soll, wurde von den Vertretern der KoWo intensiv mit dem Referenten diskutiert. Die Einführung einer neuen gesetzlichen Wohngemeinnützigkeit würde erhebliche Nachteile mit sich bringen, waren sich die Geschäftsführer der gemeinwohlorientiert handelnden Wohnungsunternehmen einig. Zudem läge die Durchschnittsmiete der kommunalen Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg bereits deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Die Anregungen aus den Fachvorträgen und der persönliche Austausch über die jeweiligen Erfahrungen verdeutlichen, dass die kommunalen Wohnungsunternehmen vor einer Zeitenwende stehen, die den Akteuren ein hohes Maß an unternehmerischer Verantwortung und Zuversicht abverlangt. Die Mitgliedsunternehmen der KoWo tauschen sich daher auch über die Fachtagung hinaus stetig zu aktuellen Themen und Projekten aus.

Prof. Dr. Hans Peter Grüner (Universität Mannheim), Christian Specht (Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim), Karl-Heinz Frings (Geschäftsführer der GBG - Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft), Peter Bresinski (Vorsitzender der KoWo und Geschäftsführer der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg), Dr. Konstantin A. Kholodilin (Abteilung Makroökonomie DIW Berlin), Thomas Möller (Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V.) referierten am zweiten Tag der Fachveranstaltung. (Nicht im Bild: Jan Kuhnert, KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH) Foto: Andreas Henn
Foto: Andreas Henn
Die GBG Mannheim hatte die Geschäftsführer der baden-württembergischen kommunalen Wohnungsunternehmen am 18. April zu einer Exkursion auf das BUGA-Gelände eingeladen. Gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Schnellbach besichtigten die Tagungsteilnehmer die Ausstellungs-Angebote der BUGA und informierten sich über das zukünftige Wohnungsbauprojekt der GBG auf der Konversionsfläche Spinelli. Foto: Andreas Henn

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