LEBEN

Mitten im Quartier

Die Inklusions-WG in Kirchheim ist kein gewöhnlicher Mieter. Mit rund zwölf Angestellten und 24-Stunden-Schichtbetrieb bietet die gemeinnützige GmbH "inklusiv leben" ihren Bewohnern die Möglichkeit, mitten im Quartier Höllenstein inklusiv zu wohnen. In unserer Reihe "Gewerbemieter der GGH" blicken wir hinter die Kulissen der besonderen WG.


Schon beim Betreten der Wohnung wird klar, dass sie etwas Besonderes ist. Vom Flur mit blauer Holzgarderobe, in der sich die gefilzten Pantoffeln in allen Farben stapeln, gelangt man in die rund 60 Quadratmeter große Wohnküche. Am großen Holztisch in der Mitte stehen etliche Stühle. Der Raum wirkt mit den Holzmöbeln und dem Holzboden hell und gemütlich. Alles ist sauber und aufgeräumt.

MiB's und MoB's

Acht Bewohner teilen sich die 400 Quadratmeter große Wohnung. Jeder hat sein eigenes, individuell eingerichtetes Zimmer. Es gibt zwei räumlich voneinander getrennte Bereiche. Im „Nordflügel“ wohnen Karin, Sabine, Peter und Caro. Sie gehören zu den im WG-Jargon liebevoll genannten „MiB's“, Menschen mit Behinderung. Im „Südflügel“ befinden sich die Zimmer von Carla, Wills, Christina und Felicitas, den vier "MoB's" beziehungsweise Menschen ohne Behinderung. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass es gut ist, wenn die Wohnbereiche getrennt sind, wegen der unterschiedlichen Lebensrhythmen", erzählt Barbara Weigle, Initiatorin der WG.

„Man muss Zeit miteinander verbringen, um zueinander zu finden.“
Dr. Barbara Weigle

Gemeinsame Aktivitäten

Die Wohnküche ist das Herz der inklusiven Gemeinschaft. Hier findet am Wochenende das WG-Kochen statt. Mit acht WG-Mitgliedern und zwei bis drei Betreuern kommt jedes Mal eine lebhafte Runde zusammen. „Die Idee finden alle klasse“, berichtet Wills, der als MoB seit drei Monaten in der WG wohnt. Bei so vielen Personen müssen große Mengen an Zutaten verarbeitet werden. Jeder trägt dazu bei, was er am besten kann. Karin zum Beispiel ist ein Ass im Knoblauch schälen und hacken. Sabine kann sehr gut Gemüse schnippeln. „Man muss Zeit miteinander verbringen, um zueinander zu finden“, fasst Barbara Weigle eine wichtige Erfahrung aus sieben Jahren WG-Leben zusammen.

WG-Weihnachten

Weihnachten werden einige der WG-Mitglieder zusammen feiern. Der Weihnachtsbaum steht auf der Terrasse vor dem Esszimmer. Caro wird die Weihnachtsgeschichte aufsagen. Jannik, ein Betreuer, begleitet das gemeinsame Singen an Heiligabend am Klavier und am Akkordeon. Zum Essen sind Würstchen und Kartoffelsalat geplant. „Wir brauchen keine kulinarischen Extravaganzen an Weihnachten“, sagt Barbara Weigle und schmunzelt. Ihr ist wichtig, dass Ruhe und Besinnlichkeit einkehren können.


Wie alles anfing

Ins Leben gerufen hat Barbara Weigle die Initiative „inklusiv leben“ zusammen mit ihrem Mann Hans Süß im Jahr 2011. Nach dem Schulabschluss ihrer blinden und gehbehinderten Tochter Caroline war sie auf der Suche nach einem Lebensumfeld, das Caros besonderen Bedürfnissen gerecht wird ohne sie auszugrenzen. So gründeten sie 2016 die Wohngemeinschaft „inklusiv leben“, die damals in zwei Wohnungen im ersten Bauabschnitt Höllenstein zog. Nach dem Abschluss der Revitalisierung des Quartiers erfolgte 2020 der Umzug in die Erdgeschosswohnung im Erlenweg. „Wir sind sehr froh, dass die GGH uns diese Lebensform ermöglicht. Wir fühlen uns sehr wohl hier“, erzählt Barbara Weigle.

Eine Lebensaufgabe

Die Organisation der Inklusiv-WG ist eine große Aufgabe. Barbara Weigle und ihr Mann bringen viel Zeit und Energie in die WG ein. Auch wenn sie nicht immer in Heidelberg sind, bleibt die Verbindung zur WG bestehen. Barbara Weigle und Hans Süß arbeiten daran, den Fortbestand der WG zu sichern, wenn sie die Aufgabe aus Altersgründen nicht mehr erfüllen können. „Der Erhalt einer solchen Gemeinschaft müsste auch im öffentlichen Interesse einer Stadt wie Heidelberg liegen“, so Barbara Weigle, deren gemeinnütziges Projekt wirtschaftlich auf Unterstützung angewiesen ist.

Kurze Wege

Die Umgebung ist für die Inklusiv-WG ideal. Zwei der MiB´s arbeiten in den rund einen Kilometer entfernten Heidelberger Werkstätten der Lebenshilfe in Rohrbach. Sie werden morgens mit dem Bus abgeholt und abends zurückgebracht. Der Hausarzt der Wohngemeinschaft hat gleich nebenan seine Praxis. Der Physiotherapeut und die Logopädin betreiben ihre Praxen ebenfalls in der Nähe und kommen regelmäßig ins Haus. Bald wird eine Apotheke im Quartier eröffnet. Wenn die letzte freie Gewerbefläche an einen Gastronomiebetrieb vermietet würde, wäre der Standort für Barbara Weigle rundum perfekt. „Die Nachfrage nach einem Café oder Bistro ist auch bei den anderen Mietern im Quartier groß", berichtet sie.


Fotos: Christian Buck

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