Mehr Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung

Der hohe Wohnraumbedarf in prosperierenden Städten und Gemeinden ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist der wesentliche Beitrag kommunaler Wohnungsunternehmen zur Wohnraumversorgung der Bevölkerung, der noch dazu höchste Anforderungen an Energieeffizienz und Barrierefreiheit erfüllt. 68 Vertreter kommunaler Wohnungsunternehmen diskutierten bei ihrer Frühjahrstagung in Böblingen mit Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen und Vertretern der Landespolitik, wie hierfür die Rahmenbedingungen verbessert werden können.

Böblingens Oberbürgermeister Wolfgang Lützner begrüßte am 10. Mai die Gäste mit einer Vorstellung der Stadt und des auch hier herrschenden Mangels an Wohnraum sowie Flächen für den Wohnungsbau. "Ich freue mich, dass Sie hier tagen, und erhoffe mir, dass Lösungen aufgezeigt werden, die zu einer spürbaren Entlastung der kommunalen Wohnungsunternehmen führen. Sie sind auf dem richtigen Weg, indem Sie die Probleme auf dem Tisch tagtäglich unkompliziert angehen. Dabei brauchen Sie Hilfestellung."

Alternde Bevölkerung
Professor Bernd Raffelhüschen, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft I und des Forschungszentrums Generationenverträge an der Universität Freiburg, informierte über Demografie, Zuwanderung und Wohnraumbedarf. "Seit den 1980er-Jahren betonen Demografen, dass die Bevölkerung nicht abnimmt, sondern altert. Dies beruht auf der Projektion von langfristigen, statistischen Mustern in die Zukunft." Norbert Blüm habe damals gesagt, dass der Pillenknick schon wieder vorbei ginge. Die Demografen aber hätten Recht behalten - die Fertilitätsmuster der Jahrgänge verharren auf niedrigem Niveau. "Das Wegbrechen der jungen Generation hat sich fortgesetzt. Heute ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung so hoch, dass der durchschnittliche Wähler bereits fast 55 Jahre alt ist."

Abnahme erst ab 2065
Die Bevölkerungspyramide hat sich nach unten halbiert. Erst im Jahr 2065 wird sie eine Urnenstruktur erreicht haben. "Dann nimmt die Bevölkerung wirklich ab. Bis dahin gibt es nur Altersstrukturverschiebungen, um die man sich kümmern muss. 2065 ist die soziale Katastrophe vorbei, in der wenige Junge immer mehr Alte immer länger versorgen müssen. Die geburtenstarken Jahrgänge haben keine Probleme, sie sind das Problem. Wir haben in den sozialen Sicherungssystemen einiges vor uns." Auch die Wohnungswirtschaft hat viel vor sich: Die Zahl der Haushalte steigt noch bis 2030 deutlich an und nimmt danach zunächst auch nur leicht ab. Erst 2055 wird die Haushaltszahl von 2015 wieder erreicht. Dies liegt an den Singularisierungs- und Remanenzeffekten - also daran, dass es immer mehr Ein-Personen-Haushalte gibt und dass Personen in ihren Wohnungen bleiben, auch wenn sich durch familiäre Veränderungen der Wohnflächenbedarf eigentlich verringert. So hätten Witwen über 75 Jahren die höchsten Wohnflächen.

Immer weniger Arbeitszeit für die Miete
Gute Nachrichten hat er für die Diskussion um steigende Miet- und Kaufpreise. Zieht man einen Kaufkraftvergleich über lange Zeit, so sind sie gesunken. "Es ist ein Wohlstandsindikator, wenn ein Durchschnittsverdiener immer weniger Zeit benötigt, um ein bestimmtes Gut zu erwerben. In den 1960er-Jahren musste man durchschnittlich ein Drittel seiner Zeit für die Miete arbeiten. Heute ist es durchschnittlich nur noch ein Fünftel. Die Mieten sind in Zeiteinheiten gesehen so günstig, wie sie in der gesamten Nachkriegsgeschichte noch nie waren. Preisexplosionen gibt es nur in ganz kleinen Clustern."

Steuerung der Zuwanderung
Intensiv hat sich Professor Raffelhüschen mit der Zuwanderung beschäftigt. "Seit 150 Jahren ist Deutschland ein Zuwanderungsland. Wir sind aber das einzige ohne Regeln für die Zuwanderung. Wir brauchen ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz. Wir müssen die Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme begrenzen und diejenige fördern, die in den Arbeitsmarkt geht. Wir müssen nach Alter und Qualifikation steuern." Die jetzigen Zuwanderer sind im Durchschnitt 32 Jahre alt und benötigen mehrere Jahre, bis sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können. "Unser Sozialsystem ist aber nicht darauf ausgelegt, dass Menschen erst mit deutlich über 30 Jahren zum Einzahler werden." Diese Zuwanderer zahlten ein Drittel ihrer Leistungen, zwei Drittel zahlten die Steuerzahler. Würde die Zuwanderung gesteuert, gäbe es ein Beitragsplus in den Systemen.

Viele Fördermittel für den Wohnungsbau
Bei der anschließenden Diskussion ging es um den Einfluss der Landespolitik auf die Tätigkeit der kommunalen Wohnungsunternehmen. Teilnehmer waren Jochen Haußmann, Landtagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP/DVP-Fraktion, Martin Körner, Parlamentarischer Berater für Wohnungspolitik der SPD, Peter Bresinski, Vorstand der KoWo, und Professor Bernd Raffelhüschen. Die angefragten Vertreter von CDU und Bündnis 90/Die Grünen entschuldigten sich kurzfristig.

Martin Körner betonte die Steigerung der Wohnungsbaumittel: "Wir geben in der Summe, inklusive der L-Bank, so viele Fördermittel aus wie kein anderes Bundesland. Zugleich haben wir das Landeswohnraumförderungsprogramm flexibler gestaltet und die mittelbare Belegung wieder ermöglicht. Bei den Wohnbauflächen haben wir allerdings zu wenig erreicht." Peter Bresinski ergänzte: "Das Programm war lenkungspolitisch am Anfang fatal, weil es im Grunde ein ökologisches Modernisierungsprogramm war. Nach den Überarbeitungen wird es gut angenommen, aber der schleppende Anfang hängt uns bei dem aktuellen starken Bedarf noch nach." Jochen Haußmann kritisiert, dass auf der einen Seite gefördert wird, auf der anderen aber Wohnungsbau und Mieter durch die Kostenentwicklung belastet werden. "Die gewaltigen Steigerungen bei den Baukosten können wir bei den Baupreisen nicht eingrenzen, aber sehr wohl bei denen, die durch politische Entscheidungen verursacht werden."

"Ausweichmanöver wie bei VW"
Professor Bernd Raffelhüschen fordert auch in diesem Zusammenhang eine langfristige, zuverlässige Steuerpolitik. Die starke Erhöhung der Grunderwerbssteuer hält er ebenso wie Peter Bresinski und Jochen Haußmann für einen Fehler. Einigkeit herrscht ebenfalls beim Tempo der Gesetzgebung. "Es ist wichtig, dass die gesetzgeberische Hektik aufhört und man zufrieden ist mit dem, was man hat. Wir bauen schon auf hohem Niveau und mit hoher Energieeffizienz. Da können sich andere europäische Länder eine Scheibe abschneiden", so Peter Bresinski. Professor Bernd Raffelhüschen ergänzte: "Wenn die Politik noch hektischer wird mit den Gesetzgebungsprozessen, erreicht man Ausweichmanöver wie bei VW."

Verhältnismäßigkeit statt Ideologie
Er fuhr fort: "In den vergangenen fünfzehn Jahren sind wir komplett ideologisiert unterwegs gewesen - davon sollten wir uns verabschieden. Wir müssen nicht immer alles besser machen, sondern die Dinge auch mal ins Verhältnis setzen." Es gäbe nichts Besseres und Billigeres beim Bauen als billigen Grund. Auch urbanes Wohnen biete mehr Chancen: "Bei den Gründerzeitvierteln gab es viel mehr Mut zur Dichte als heute." Auch Peter Bresinski möchte das Prinzip der europäischen Stadt wieder stärker fördern und plädierte für eine stärkere Durchmischung von Wohnen und Arbeiten. Er befürchtete allerdings: "Wir werden unsere Luxusthemen weiter vorantreiben und erst dann aufhören, wenn der Druck so groß ist, dass es nicht mehr anders geht. Ich setze eher nicht auf große Sprünge."

Jochen Haußmann sagte: "Mehr Flexibilität ist wünschenswert, so wie wir es jetzt in der Flüchtlingssituation handhaben. Auch die gut gemeinten Gesetze müssen stärker in der Praxis reflektiert werden." Martin Körner verwies auf die Aufgabe der Politik, verschiedene Interessen zu berücksichtigen und zusammenzuführen. "Wir müssen einen Ausgleich finden, dabei aber auch immer die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen." Die Diskutanten sind sich einig, weiterhin ihre Stimmen für Rahmenbedingungen der Wohnungswirtschaft zu erheben, die nicht nur bedarfs- und zukunftsorientiert, sondern auch pragmatisch sind.



Über die KoWo
In der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen, kurz KoWo, haben sich rund 60 kommunale und landkreisbezogene Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen. Sie verwalten über 150.000 Mietwohnungen und gehören mit einem Investitionsvolumen von über 500 Millionen Euro zu den wichtigsten Auftraggebern der heimischen Bauwirtschaft. Ziel der seit 1990 bestehenden Vereinigung ist es, ihre spezifischen Interessen auf Landesebene zu vertreten und zu bündeln.

Webseite der KoWo: www.kowo-bw.de

Um unsere Website für Sie optimal gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Schließen